Aufnahme: Polina Maykova
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Ein besonderer Bestand von über 300 historischen Theaterkulissen hat sich im Ravensburger Konzerthaus erhalten. Die Prospekte, Bögen und Stellkulissen entstanden zwischen 1894 und 1910 in den Werkstätten des Stuttgarter Hoftheaters unter der Leitung von Wilhelm Plappert, einem der bekanntesten Bühnenmaler seiner Zeit.
Während sich in Stuttgart selbst – wie in fast allen anderen historischen Theatern in Deutschland – keine Kulissen erhalten haben, hat der lange Zeit in Vergessenheit geratene Ravensburger Bestand die Zeit überdauert und konnte in den vergangenen zehn Jahren in einem Projekt des Kulturamts Ravensburg restauriert werden. Den erfolgreichen Abschluss der aufwendigen Restaurierung nimmt das Museum Humpis-Quartier zum Anlass, um die Kulissen, ihre Entstehungsgeschichte und ihre Nutzung im Kontext ihrer Entstehungszeit zu präsentieren.
Die Ausstellung bindet die Kulissen in den historischen Kontext der Stadtgeschichte um 1900 ein und legt einen Schwerpunkt auf das 1897 neu erbaute Ravensburger Konzerthaus, den Ort, an dem die Kulissen zum Einsatz kamen. Sie erzählt auch ein bislang kaum bekanntes Kapitel Stuttgarter und Ravensburger Theatergeschichte und beleuchtet die Bühnenpraxis des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Die Gründerzeit, oder auch "Belle Époque" genannte Epoche war gekennzeichnet von Beschleunigung und Veränderung, Industrialisierung und Modernisierung. Das spiegelt sich auch in Ravensburg im Aufschwung von Unternehmen, technischen Neuerungen und dem wachsenden Angebot von Kunst und Theater wider. So trug auch zum Bau des Konzerthauses 1897 maßgeblich eine Bürgerinitiative unter dem Unternehmer Julius Spohn bei. Im Kontrast dazu stehen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiter*innen, die einen bedeutenden Anteil der Ravensburger Bevölkerung ausmachten.
Im Mittelpunkt der Ausstellung treten die historischen Kulissen ins Rampen-licht. In der Tradition des Bühnenbilds des 19. Jahrhunderts zeigen sie realistisch wirkende Landschaften, Stadtansichten und perspektivisch genaue Räume und sind einzigartige Dokumente des späten Historismus in Deutschland. Einige der Kulissen gelangten nach einer Brandkatastrophe im Stuttgarter Hoftheater 1902 nach Ravensburg, wo das Stuttgarter Ensemble nun bevorzugt gastierte. Aufgeführt wurden Schauspiele und Opern wie "Carmen", "Der Troubadour" oder "Der Kaufmann von Venedig".
In der Ausstellung zu sehen sind originale Stellkulissen und verkleinerte Reproduktionen der Prospekte. Ein maßstabsgetreues Modell der Konzerthausbühne lädt dazu ein, einzelne Kulissen genauer zu betrachten und selbst neue Bühnenbilder zusammenzustellen. Außerdem zeigen Filmaufnahmen, wie der Schatz an Kulissen restauriert und konserviert wurde, um ihn auch in Zukunft erhalten zu können.
Barrierefreiheit
Um die Ausstellung für mehr Menschen zugänglich zu machen, werden in einem Mediaguide kostenlos Rundgänge in Leichter Sprache und in Englischer Sprache als selbstständige Touren angeboten. Videos werden mit Untertiteln oder Übersetzung in Gebärdensprache gezeigt.
Restaurierungsprojekt
Das Restaurierungsprojekt der Stadt Ravensburg wurde gefördert durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg – oberste Denkmalschutzbehörde und das Denkmalschutz-Sonderprogramm VIII des Bundes.