Aufnahme: Wynrich Zlomke
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Das Museum Humpis-Quartier ist das kulturhistorische Museum der Stadt Ravensburg. Seit seiner Eröffnung im Juli 2009 lädt es in fünf Gebäuden eines spätmittelalterlichen Wohnquartiers zu einer Reise durch 1.000 Jahre Stadtgeschichte, vom Mittelalter bis in die Gegenwart, ein.
Namensgeber des Quartiers ist die Familie Humpis, deren Wappentier, ein Windhund, bis heute das Maskottchen des Museums ist.
Das Besondere an der preisgekrönten Museumskonzeption ist die enge Verbindung der Architektur mit den ausgestellten Themen und Geschichten: Der Rundgang durch´s Quartier bietet einmalige Einblicke in die Baukultur und nimmt Sie mit in die Wohnräume und Lebenswelten der früheren Bewohner*innen.
Das Museum Humpis-Quartier ist über Baden-Württemberg hinaus bei-spielgebend für einen respektvollen Umgang mit einem kulturhistorisch bedeutenden Baudenkmal. Mit geringstmöglichen Eingriffen in die Bausubstanz wurde die Nutzung als modernes Museum ermöglicht, das zudem alle Anforderungen an die Besucherfreundlichkeit und des barrierefreien Zugangs erfüllt. Es ist ein lebendiger Ort der Kultur, der Bildung und ein atmosphärisch einzigartiger Platz zum Schauen und Verweilen.
Die wechselnden Ausstellungen des Museums betrachten zeitgeschichtliche Hintergründe und Zusammenhänge. Sie widmen sich epochenübergreifenden kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Themen: Im Zentrum steht die Frage nach Handlungsspielräumen und Möglichkeiten von Menschen im Mikrokosmos Stadt.
Das Museum bietet ein kulturelles Begleitprogramm zu seinen Ausstellungen sowie regelmäßige öffentliche Führungen und vielfältige buchbare Angebote für Schulklassen auch außerhalb der Öffnungszeiten. Den Rund-gang durch's Quartier gibt es auch für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung mit speziellen Tastobjekten.
Das Museum vermittelt Geschichte auch im Stadtraum:
Ein Stadtrundgang zu Orten jüdischen Lebens in Ravensburg mit Schwer-punkt 20. Jahrhundert steht regelmäßig auf dem Programm und ist auch für Gruppen buchbar.
Eine unterhaltsame Form der Geschichtsvermittlung bietet das Straßentheater "Safran, Korallen und Barchent" mit Bernd Wengert in der Rolle des ehemaligen Bewohners und Fernhändlers Henggi Humpis.
Für Kinder unter 18 Jahren ist der Eintritt ins Museum frei.
Seit 2022 gibt es den sehr erfolgreichen sogenannten "Ravensburger Museumsfreitag". Durch Beschluss des Gemeinderats kostet der Eintritt in das Museum Humpis-Quartier und ins Kunstmuseum jeweils am letzten Freitag eines Monats nur 1,- EUR.
Ein Medienguide mit Touren durch die Dauer- und Wechselausstellungen (dt./engl.) sowie eine Rallye für Kinder ist kostenlos zum Museumsbesuch erhältlich oder als App zum Download verfügbar.
Rundgang durch die ständige Ausstellung:
Seit der Entstehung Ravensburgs, also seit annähernd 1000 Jahren, leben Menschen in den Gebäuden oder Vorgängerbauten des Humpis-Quartiers. Sie alle haben Spuren hinterlassen und die meisten von ihnen sind namentlich bekannt. Auf dem Rundgang durch´s Quartier begegnen Sie einigen von ihnen!
Die Geschichte beginnt mit "Haus Nummer 1". So nannten die Archäologen die Überreste, die sie 2003 bei Ausgrabungen im heutigen Museumsinnenhof fanden: es handelt sich dabei um eines der ältesten Ravensburger Häuser. Um das Jahr 1050 gebaut, gehörte Haus 1 zu einer kleinen, wachsen-den Siedlung im Schatten der Ravensburg auf dem Veitsberg. Die Welfen, eine der einflussreichsten Hochadelsfamilien in Schwaben, errichtete seit der Mitte des 11. Jahrhunderts hier einen zentralen Herrschaftssitz. Unter-halb der Burg legten sie die Grundlagen für die Entstehung der gleichnamigen Stadt. An einer bedeutenden Handelsstraße gelegen, zog die Siedlung Handwerker und Kaufleute an, schon 1152 verfügte Ravensburg über einen Markt und wurde 1274 freie Reichsstadt.
Im ersten Geschoss taucht das Publikum ein in die Wohnräume des Fernhändlers und Bürgermeisters Hans Humpis, dessen Familie im 15. Jh. das jetzige Museumsquartier in adelsähnlichen Verhältnissen bewohnte. Die großzügige Bohlenstube mit gewölbter Decke und Wandvertäfelung in schwarz eingefärbtem Holz mit dem repräsentativen Erker war der zentrale Wohnraum von Hans Humpis und seiner Frau Ursula. Hier befand sich auch der einzige Kachelofen im gesamten Gebäude. Hier erledigten sie ihre Korrespondenz, empfingen Gäste und nahmen die Mahlzeiten ein. Die Bohlenstube ist weitgehend original von 1435 erhalten geblieben.
Die Gerberfamilie Wucherer nimmt die Besucherinnen und Besucher im zweiten Geschoss mit ins Ravensburg des 18. Jahrhunderts. Diese Zeit war gekennzeichnet durch religiöse Parität und Toleranz, sowie durch obrigkeitliche Reglementierungsversuche. Eine bedeutende Sammlung von Zunft-scheiben der Ravensburger Zünfte des späten 17. und 18. Jahrhunderts runden diesen Bereich thematisch ab.
Für das Zeitalter der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts steht der ehe-maligen Wirt und Bierbrauer Gottfried Rösch, sozusagen der Gründer der Humpis-Stuben im Haus Marktstraße 47, einer legendären, bis heute beliebten Stadtwirtschaft.
Das 19. Jahrhundert brachte tiefgreifende politische und gesellschaftliche Umbrüche. In den 1830er-Jahren begann in der inzwischen württembergischen Oberamtsstadt Ravensburg mit den ersten mechanisierten Spinnereien und Webereien die Industrialisierung, die mit der Fertigstellung der Eisenbahnlinie Ulm – Ravensburg – Friedrichshafen 1850 deutlich an Geschwindigkeit aufnahm. In Nachfolge der aufgelösten Zünfte und Gesellschaften wurde das 19. Jahrhundert für Ravensburg auch zum Jahrhundert der Vereine.
Das Museum Humpis-Quartier versteht sich seit seiner Eröffnung im Jahr 2009 als "wachsendes Museum" (und zunehmend auch als sich wandeln-des Museum), das immer wieder Anreize für einen erneuten Besuch schafft. Mit dem Thema "Schwabenkinder" wurden 2011 die ersten der kleinen "Kabinetträume" in den Gebäuden Humpistraße1 und 3 bespielt. Die Schwabenkinder waren 8 bis 14jährige Jungen und Mädchen, die all-jährlich im Frühjahr aus den Alpenregionen nach Ravensburg kamen und auf dem zentralen Kindergesindemarkt in der Bachstraße als Hütekinder und Mägde an oberschwäbischen Bauern vermittelt wurden. Im Museum erfahren die Besucherinnen und Besucher vom beschwerlichen Weg der Kinder aus Vorarlberg, Graubünden und Tirol nach Ravensburg. (Interreg IV-Projekt, gemeinsam u.a. mit dem Bauernhausmuseum Wolfegg und Museen in Vorarlberg und Südtirol)
Weitere drei Kabinette wurden 2013 bis 2027 eröffnet:
- zur Textilgeschichte Ravensburgs: Dieser Ausstellungsbereich veranschaulicht die Bedeutung der Produktion von Leinwand und dem Baumwollmischgewebe Barchent für die oberschwäbische Reichsstadt. Lein-wand und Barchent waren wichtige Exportgüter. (Gefördert von der Museumsgesellschaft Ravensburg e.V.)
- zur Geschichte der Heimatvertriebenen: In der Nachkriegszeit kamen 6.000 Heimatvertriebene aus Ostpreußen, Westpreußen, Danzig, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland nach Ravensburg. Die Heimatvertriebenen machten ein Viertel der damaligen Bevölkerung aus und veränderten die Stadt räumlich, sozial, politisch, wirtschaftlich und kulturell. Ihnen ist seit 2014 eine Kabinettausstellung in weiteren drei Räumen gewidmet.
- zur Geschichte der Hexenverfolgung in Ravensburg: In den 1480er Jahren war Ravensburg eines der Zentren bei der Entstehung von Hexenwahn und "Hexenverfolgung" in Europa. Mehrere Frauen wurden denunziert, inhaftiert, gefoltert und zwei von ihnen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Durchgeführt wurde die "Hexenverfolgung" vom päpstlichen Inquisitor persönlich, dem Dominikaner Heinrich Kramer, genannt Institoris. Die Ravensburger Verfolgungserfahrungen hat Institoris in den von ihm verfassten "Hexenhammer" aufgenommen. Aber auch die Rolle des Ravensburger Rats, der die Gerichtsprozesse führte, wird beleuchtet. (Ermöglicht durch das Preisgeld des ersten vergebenen LOTTO-Museumspreises 2015)
Die Geschichte Ravensburgs im 20. Jahrhundert wird bislang vor allem in wechselnden Sonderausstellungen erarbeitet und gezeigt.
Die Ergebnisse der Ausstellungen fließen in die Neukonzeption der Museumsabteilung zum 20. Jahrhundert ein.
Ausstellungen seit 2020:
2020 Das Leben der Dinge. Eine Ausstellung über das Sammeln
(Die Geschichte der Ravensburger Museumssammlung)
2021 Ausgrenzung und Verfolgung.
Ravensburger Sinti im Nationalsozialismus (mit Begleitbuch)
2022 Von der kleinen Eiszeit ins Anthropozän.
Klimawandel in Ravensburg 1350-2050
(mit interaktiver Mitmachausstellung "Umwelt, Klima & DU")
2022/23 Eine Frage des Geschlechts.
Frauengeschichte in Ravensburg (vom 18.-20. Jahrhundert)
2023/24 79_80 Ravensburg. Alltag Apokalypse Autonomie
(partizipative Ausstellung über die 70er und 80er Jahre in Ravensburg)